Wir haben sie euch schon vorgestellt: NEWMEN. Sie schaffen das, was vielen jungen Bands fehlt: Ein durchgehender Gedanke nicht nur in ihrer Musik, sondern auch in ihrem Gesamtbild. Eigener Stil, geniale EP „Quick Millions“ und einfach eine Band, die sich nicht in Schubladen stecken lässt. Das war Grund genug uns mal mit einem Teil der Band zu unterhalten. Sind sie überhaupt die „neuen Männer“, was macht ihren Stil so besonders und was zur Hölle haben sie mit der neuen Fanta zu tun?
dk: Ihr habt eure aktuelle EP in der Einöde produziert. Wie wichtig ist für euch Distanz zum Alltag um produktiv zu sein?
Diese Einflüsse sind nicht ortsgebunden – die kann man theoretisch überall haben.
Timm: Das ist eine Art Zwischenspiel. Einerseits muss man Input erlangen, durch den Alltag in dem man sich eben nicht isoliert. Wenn man diesen Input aber übersetzen will in Musik, dann ist es wichtig dass man in ein Vakuum geht. Das ist dann eine Art Archimedischer Punkt. Das heißt aber nicht, dass man für jede Produktion in einen Ort gehen muss, der komplett im Nirgendwo ist. Für jede Platte gibt es neue Bedingungen, die interessant sind. Es kommt immer darauf an, was für einen Sound man erzeugen will.
Jörg: In der Einöde ergänzen sich manche Sachen noch mal. Wir haben zum Beispiel auch ein bisschen Field-Recording gemacht. Das hätten wir auch mit urbanen Klängen oder Noises machen können, aber da hat uns das ganz gut gepasst. Es ist generell schwer zu sagen, welcher Ort uns mehr beeinflusst.
Timm: Man kennt das ja. Es gibt Themen, Bücher, Filme mit denen man sich beschäftigt. Diese Einflüsse sind nicht ortsgebunden – die kann man theoretisch überall haben. Und auch die beeinflussen uns direkt. Ich denke dass ist 50:50. Einerseits die Raumatmosphäre, andererseits der Input den man durch Bücher und sonstiges hat.
dk: Was führt dazu, dass dieser Input, den ja theoretisch jeder konsumieren kann, von einer Band in das umgesetzt wird, was am ende auf der Platte ist?
Bei einem Schriftsteller oder Maler läuft vieles direkter ab als in der Musik.
Timm: Eine Band ist da nicht einzigartig. Wir sprechen eine andere Sprache als ein Schriftsteller oder Maler. Das ist im Endeffekt einfach nur eine andere Art, mit Einflüssen umzugehen. Ich denke sie ist abstrakter, bei einem Schriftsteller oder Maler läuft vieles direkter ab als in der Musik.
dk: Wie viel von jedem persönlich steckt in dem, was ihr macht?
Wir leben in einer Zeit, die keinerlei Geschichte mehr hat. Wir schauen nur auf die Vergangenheit – und nehmen da unser Material her.
Timm: Ich will nicht leugnen, dass jeder letztendlich seine Idee mit in die Band bringt. Wir haben da fast schon einen kommunistischen Ansatz. Jeder hat gleiches Mitspracherecht, und da gibt es keinerlei Hierarchen. Klar teilen wir manche Bereiche Auf, zum beispiel kümmern sich Martin und unser Schlagzeuger größtenteils um die Produktion, dafür sind Jörg, Joel und ich eher beim Songwriting. Da gibt es ganz klare Zuweisungen, wer was macht… Aber die sind unausgesprochen. Jeder hat sein Gebiet, in dem er sich besonders einbringt.
Jörg: Und eine Band wird in dem Moment besonders, in dem sie sich trauen, etwas zu machen, was sie sind. Es ist eigentlich absolut logisch, etwas zu machen was es vorher noch nicht gab. Uns gefällt es, Sachen neu zu kombinieren. Wir leben ja nicht mehr in einer Zeit, in der man wirklich alles neu machen kann.
Alles, was neu ist, ist de facto ja neu seit spätestens 1982.
Timm: Wir werden auch sehr oft falsch verstanden. Um Gottes willen, wir denken nicht dass wir die „neuen Männer“ sind. Im Gegenteil. Unser Name ist eher eine Resonanz auf die gegenwärtige Zeit, in der wir leben. Wir leben in einer Zeit, die man als „Posthistoire“ bezeichnen kann, also eine Zeit nach der Geschichte. Die Werbung suggeriert hier: Die neue Fanta ist die Fanta von 1980. Wir leben in einer Zeit, die keinerlei Geschichte mehr hat. Wir schauen nur auf die Vergangenheit – und nehmen da unser Material her. Im weiteren gesellschaftlichen Sinne. Deswegen war es uns wichtig, diese beiden größten Widersprüche, die trotzdem die Paradigmen der Gesellschaft sind, in unserem Namen aufzugreifen. Weil es ja weiterhin die großen Paradigmen der Gesellschaft sind, die aber unhaltbar sind! „Das Neue“ gibt es so nicht mehr. Die neue Fanta ist die Alte! Und genauso ist es auch mit dem ganzen Männlichkeits-Ding. Das „Neue“ ist für uns immer nur etwas, das in Anführungszeichen steht. Wir sagen nicht, dass wir was Neues machen. Überhaupt nicht. Es ist eher diese paradoxe Situation in der wir sind.
Jörg: Alles, was neu ist, ist de facto ja neu seit spätestens 1982 oder so. Das einzige, was heute vielleicht wirklich neu ist, ist die Technologie, die dir das Ganze vereinfacht.
Timm: Das ist retrospektiv, das ist unsere Gesellschaftsform. Und deswegen haben wir auch den Namen gewählt, das ist diese Paradoxie, die da aufgegriffen wird.
Große Worte von einer Band die vielleicht noch Großes vor hat. Das Potential ist definitiv da. Die aktuelle EP „Quick Millions“ ist vielleicht nicht komplett etwas Neues, ohne einen einzigen Chorus und mit der speziellen Kombination der Jungs aber doch ziemlich besonders – und ziemlich beeindruckend. Reinhören lohnt sich also, genauso wie live vorbeischauen. Bei einem Bierchen kann da bestimmt auch noch gerne die eine oder andere philosophische Diskussion geführt werden!
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