Die neuen Durchstarter aus dem Hause Chimperator: Heisskalt. Doch die Jungs machen keinen Hip Hop, keinen Pop und auch Raps kann man bei ihnen lange suchen. Sie brennen mit feinstem Rock die Festival- und Konzertbühnen Deutschlands nieder. Das Album „Vom Stehen und Fallen“ ist großartig, knüpft an die vorangegangenen EPs an. Wer dem teils etwas härteren, aber immer positiven und unglaublich energiegeladenen Rock auf Platte nur zu 99 Prozent überzeugen lässt holt sich den Rest live: Fetter Sound, sympathische Musiker, ausverkaufte Locations und eine Stimmung die besser nicht sein könnte.
Wir haben sie auf ihrer aktuellen Deutschlandtour getroffen und mit Sänger und Gitarrist Matze über die Musik, das Drumherum und das Schicksal gesprochen.
dk: Du hattest kurz vor Tourbeginn noch eine Mandel-OP. Wie ärgerlich ist es wenn man die Tour verschieben muss?
Matze: Sehr ärgerlich. Auf der anderen Seite ist es für uns aber mal wieder super geil gelaufen, ich weiß nicht. Wir haben da so ein Händchen. Das war letztes Jahr auch schon so, dass wir verschieben mussten und dann haben wir die Tour im Frühjahr gespielt. Wir konnten dann alles mit neuem Album spielen, und es ist viel besser gelaufen als wir es uns je hätten vorstellen können. Jetzt ist das auch so. Es ist alles kompakter und wir können alles mit dem Nightliner fahren, das ist viel entspannter. Irgendwie hat es dann immer auch was Gutes. Aber es ist schon blöd, zu merken dass man so verantwortlich ist mit seiner Stimme.
dk: Wo bist du lieber? Auf Tour oder im Studio?
Matze: Auf jeeeeeeden Fall auf Tour sein. (grinst) Songs schreiben macht Spaß, aber das mache ich die ganze Zeit. Nur weil ich auf Tour bin heißt das nicht dass ich keine Songs schreibe. Studio und Tour könnte man jetzt vergleichen… im Studio entwickelt man neue Sachen. Aber wir schreiben eigentlich für die Bühne. Live funktioniert einfach anders. Da läuft viel über Lautstärke, im Studio kann man dann den Raumklang nutzen, was auf der Bühne nicht geht.
dk: Was ist das Geilste daran, auf Tour zu sein?
In den letzten Jahren ist es für mich total normal geworden irgendwo zu sein, aufzuwachen und Google Maps anzuschmeißen und zu checken wo ich bin.
Matze: Es ist wie im Rausch. Verrückt eigentlich. Jeden Tag ne andere Stadt… In den letzten Jahren ist es für mich total normal geworden irgendwo zu sein, aufzuwachen und Google Maps anzuschmeißen und zu checken wo ich bin. Das ist schön – ich mag das total gerne. Man macht auch so viel Zeug… zu Hause sitzt man da und schreibt Songs, dreht Viedos, schreibt Alben, was weiß ich – und wenn man dann auf Tour ist, ist das eine Art von Überprüfen dessen was man gemacht hat. Man ist zum Beispiel in Frankfurt und muss dann schauen; Ok, wie finden die Leute in Frankfurt das was wir machen? Und es ist geil zu merken, im Vergleich zum letzten Mal ist es noch geiler geworden. Oder: Ok, im Vergleich zum Letzten Mal ist das Publikum nur noch halb so alt (grinst). Wir waren gestern zum ersten Mal in Gütersloh und ich dachte, was ist denn los? (grinst) Der Publikumsschnitt war in den ersten zwei Reihen so vielleicht 16? Aber auch nur weil da so zwei 20-jährige rumstanden. Das hat so richtig nach Kinder-Turnhallen-Umkleide gerochen. (lacht)
dk: Das hätte ich grade bei euch jetzt nicht erwartet…
Matze: (lacht) Nee. Wir auch nicht. Es ist normal, dass in der ersten Reihe ein paar Mädels stehen die ein bisschen jünger sind, und dahinter ein paar Dudes die vor sich hin moshen, und dann da hinter wieder ein paar gesetztere Herrschaften. Aber dass es wirklich so krass jung ist wie gestern, das hatten wir noch nie. Deswegen: Man entdeckt immer neue Sachen.
dk: Wie wichtig ist Spontanität als Musiker?
Es ist total normal Sachen abzusagen für die Band.
Matze: Das hängt ganz davon ab in welchem Konstrukt Band man sich befindet. Ich persönlich bin ein extrem spontaner Mensch. Das sind aber nicht alle in der Crew, deswegen sind wir so mittelspontan glaub ich. Es ist schon gut wenn man damit leben kann, wenn man morgens um acht einen Anruf oder eine SMS bekommt, und man dann direkt nach dem Aufstehen lesen muss dann man in 10 Minuten irgendwo sein soll und irgendwas machen soll. Es ist total normal Sachen abzusagen für die Band.
dk: Wie wichtig ist Social Media heute für eine erfolgreiche Band? Wie viel läuft über diese Kanäle?
Matze: Bei uns sehr viel, eigentlich fast alles. Facebook ist unser massivstes Tool um mit den Fans in Kontakt zu bleiben und sie zu informieren. Wenn was ist erreichen wir tatsächlich 90 Prozent der Leute über Facebook. Das ist schon abgefahren eigentlich. Aber das hängt auch immer ein bisschen von der Band ab. Wir haben junge und im Internet aktive Fans – deswegen funktioniert das total gut. (grinst) Es macht ja auch ein bisschen Spaß. Unser Gitarrist hat sich da übelst reingefuchst, der das auch ziemlich feiert das zu tun. Es macht ja auch schon irgendwie Bock… und wir haben kein Management, also wir haben ein Management, aber die machen gefälligst nicht unsere Facebook-Posts.
dk: Welcher Musiker geht gar nicht?
Wahrscheinlich ist Helene Fischer eigentlich ne echt coole Sau. Die waren besoffen auf irgendeinem Hotelzimmer und haben diesen Chorus geschrieben.
Matze: Ich hab festgestellt dass ich echt schon so viel Musik gehört hab die ich so scheiße fand – und dann die Leute hinterher kennengelernt hab und dachte „Oh mann, du bist halt so nett und cool.“ Deswegen kann ich jetzt voll schlecht sagen das irgendwas richtig kacke ist – Weil ich mir immer denk „Hey, da steckt auch jemand dahinter der das mega feiert.“ Aber Musik die ich richtig ekelig finde, ist wenn ich merke dass es nicht so ist. Wenn ich das Gefühl hab da macht jetzt jemand irgendwas weil er glaubt dass das grade angesagt ist oder funktioniert, aus wirtschaftlichen Gründen. Da werde ich dann sauer. Die Leute gewöhnen sich an den Scheiß, und irgendwann können sie beschissene Scheiße nicht mehr von guter Musik unterscheiden. Das ist manchmal ein bisschen traurig. Aber ich will mir da nichts anmaßen. Wahrscheinlich ist Helene Fischer eigentlich ne echt coole Sau, und man kann mit ihr richtig gut abhängen. Jemand hat auch „Atemlos“ geschrieben, und derjenige ist auf jeden Fall nicht auf den Kopf gefallen. Er hat immerhin nen Song geschrieben den echt viele Leute feiern. Die waren wahrscheinlich besoffen auf irgendeinem Hotelzimmer und haben diesen Chorus geschrieben. Man darf das nicht vergessen: Dass das in einem schönen Moment aus einem schönen Kopf kommt.
dk: Liebesbeziehung mit Fans: Kann das ne Grundlage sein?
Ich bin lieber jeden Tag aufs Neue zu allen Leuten nett und aufgeschlossen, als dass ich jetzt resigniert in meiner Arroganz im Backstage bleibe.
Matze: Nee. Nein. Also gaaar nicht. Ich hab immer mal wieder sehr interessante Menschen, oder in meinem Fall interessante Mädchen auf Konzerten getroffen, mit denen ich mich super unterhalten hab. Mit denen vielleicht auch mal ein bisschen mehr passiert ist, aber ich könnte mich glaube ich nie…. Ich fänd das total komisch… wenn das von einer Seite… also das ist doch irgendwie… Also. (grinst) Um guten Sex zu haben braucht man ja auch ein gegenseitiges Respektieren, und ein Selbstbewusstsein. Bei ganz vielen unserer Fans habe ich nämlich nicht das Gefühl dass sie ernst selbstbewusst auftreten mir gegenüber. Weil sie verunsichert sind, weil sie mich super toll finden – was für mich total komisch ist. (grinst) Und was genau deswegen schon verhindert dass sich eine sexuelle Spannung aufbaut.
Mal abgesehen von sexueller oder körperlicher Beziehung versuchen wir schon eine Beziehung zu den Leuten aufzubauen. Wir machen uns gerne einen geilen Abend mit dem Publikum zusammen, und nicht: Wir sind die geile Band und ihr das blöde Publikum. Das funktioniert meistens gut, und manchmal geht das auch richtig krass in die Hose, wenn die Leute das in den falschen Hals kriegen und denken dass wir beste Freunde sind und dann völlig psycho werden. Da gibt es schon ein paar Geschichten, die ganz ganz komisch geendet sind. Aber mein Gott. (grinst) Bisschen Schwund ist immer. Ich bin lieber jeden Tag aufs Neue zu allen Leuten nett und aufgeschlossen, als dass ich jetzt resigniert in meiner Arroganz im Backstage bleibe.
dk: Man gewöhnt sich also nicht an das Gefühl des angehimmelt Werdens?
Das ist nur das, was die Leute in mich reinprojizieren. Das bin ich nicht. Deswegen darf ich nicht anfangen zu denken dass ich das bin, sonst machen die mich kaputt.
Matze: Ich nicht, nee. Also in dem Moment, in dem ich am Merch rumstehe und die Leute Fotos machen wollen, habe ich eine Art gefunden das irgendwie zu akzeptieren dass ich jetzt der coolste Mensch der Welt für die alle hier bin. Aber wenn ich danach im Backstage oder im Bus sitze brauche ich echt auch ein paar Minuten um so n bisschen klar zu kommen. Um zu merken du bist immer noch genau der gleiche Typ, der vorhin auf die Bühne gegangen ist, und der nachher auch mal kacken geht. (grinst) Wenn man da nicht aufpasst kann einen das schon mega fertig machen. Aber das ist ja nur das, was die Leute in mich reinprojizieren. Das bin ich ja nicht. Das denken die Leute, dass ich das bin. Und deswegen darf ich nicht anfangen zu denken dass ich das bin, sonst machen die mich kaputt.
Foto: Ben Wolf
Keine Kommentare